Im Gegensatz zum Orankesee ist der Obersee kein natürlicher See. Was es an dieser Stelle gab, war ein durch die Eiszeit schlauchartig ausgefurchtes Wiesenmoor. Und in diesem zwei stehende Gewässer: den „Elspfuhl“ und die „Lindwerder Lake“.
Die Entstehung des Obersees geht dann zurück auf einen – sagen wir mal – gedankenlos herbei geführten „Betriebsunfall“. 1884 begann das Hohenschönhausener Brauhaus mit der Bierproduktion. Seine Abwässer führte es ab in den Faulen See. Der war damit überfordert. Es folgte Plan B: Am 24. September 1895 lenkte man die Abwässer in den Orankesee. Dieser reagierte mit einer Überschwemmung. Das Wasser floss in die Lindwerder Lake. Und so entstand ein See: der „Obersee“.
Ende des 19. Jahrhunderts begann man mit der Parzellierung und dem Verkauf der Gutsländereien an den Seen. Eine erste Villensiedlung entstand. Bezogen wurden die schmucken Landhäuser von wohlhabenden Kaufleuten, Beamten und auffällig vielen Großschlächtern.
Am 22. November 1912 beschloss die Gemeindevertretung Hohenschönhausen einen Park am Obersee zu schaffen. Mit seiner Gestaltung wurde der Gartenarchitekt Otto Werner beauftragt. Im Ersten Weltkrieg mussten die Arbeiten ruhen. Erst 1920 kamen sie endlich zum Abschluss. Für die 164 Gefallenen aus Hohenschönhausen wurde noch ein Denkmal aus grünem Granit errichtet, das von einem bepflanztem Ehrenhain umgeben war. Der Architekt kam aus Charlottenburg und hieß Otto Kuhlmann. Das Kriegerdenkmal störte man sich erst 1973! Kurz von den X. Weltfestspielen der Jugend und Studenten musste es dann doch schnell entfernt werden.
Von 1945 bis 1952 wurde auch der Oberseepark einem sowjetischen Sperrgebiet einverleibt und blieb der deutschen Bevölkerung verschlossen. Nach dem Abzug der sowjetischen Geheimdienstler glich der Park einem verwunschenen Biotop. Die alte Wegeführung war kaum noch zu erkennen. Erst Anfang der 60er Jahre wurde der Park dann komplett nach den Plänen der Gartenarchitektin Editha Bendig neu gestaltet. Ihr verdanken wir auch den Rosengarten.
Nach der Wende wurde der Park behutsam und Stück für Stück wiederbelebt und saniert. Heute ist nun der „Förderverein Obersee und Orankesee“ einer der Impulsgeber für die Erhaltung, Entwicklung und Pflege der Parkanlagen. 2017 wurde der Park eine der „Premiumflächen“ der Internationalen Gartenausstellung in Berlin. Viele Projekte entstanden in enger Einbeziehung der Anwohner. Alljährlich organisiert der Förderverein einen Frühjahrs- und einen Herbstputz. Dabei werden die Parkanlagen und die Seen befreit von Laub und von Unrat. So ist der Park heute – dank vieler helfender Hände und Köpfe – ein Park aller geworden: der Spaziergänger, Familien, Badegäste, Angler und Radfahrer.
Die Geschichte des Oberseeparks
(von Bärbel Ruben)
Der Obersee
Der Obersee bietet zu jeder Jahreszeit einen idyllischen Anblick! Im Gegensatz zu seinem großen Bruder, dem Orankesee, ist er kein natürliches Gewässer, sondern wurde von Menschenhand geschaffen. An der Stelle des heutigen Obersees existierte einst ein durch die Eiszeit schlauchartig ausgefurchtes Wiesenmoor. Eingebettet in diese Senke gab es zwei stehende Gewässer – die etwas größere Lindwerder-Lake und den Elspfuhl. Je nach Jahreszeit waren sie mal mit mehr und mal mit weniger Wasser gefüllt. Aber als Seen konnte man diese Tümpel nicht bezeichnen.¹
Einer Laune der Geschichte, genau genommen einem fahrlässig herbeigeführten „Betriebsunfall“ der nahegelegenen Löwenbrauerei verdankten wir unseren Obersee. Die Brauerei begann 1894 mit der Bierproduktion. Ursprünglich versuchte sie sich ihrer Abwässer in Richtung Faulen See zu entledigen. Sein Fassungsvermögen war jedoch begrenzt. Es ist überliefert, dass am 24. September des Jahres 1895 die Brauerei ihre Abwässer einfach in den Orankesee pumpte unter dem Motto: „wird schon schief gehen und versickern“. Das führte an diesem Tag zur Überschwemmung des Gebietes, die Wasser flossen ostwärts und füllten die Lindwerder Lake mit Wasser. Ein künstlicher See war entstanden. Seine Kultivierung und Einbettung in eine spätere Park- und Villenlandschaft ließ jedoch noch auf sich warten.
Der 3,7-ha große Obersee ist nicht gerade tief. Seine maximale Tiefe beträgt lediglich 3 Meter, meist ist es flacher. Kein Versteck für verwunschene Nixen. Da der Wasserspiegel des neu entstandenen Sees etwa 1,50 Meter höher lag, als der des Orankesees, nannte man ihn kurzerhand Obersee.
Erst kamen die Villen, dann der Park
Ganzjährig lädt der Oberseepark zum Spazierengehen ein. Sein wertvoller Altbaum-bestand, der Wechsel von Licht- und Schattenbereichen, Wiesenflächen und Strauch-pflanzungen, der Rosengarten, Ausblicke von höhergelegenen Stellen und nicht zuletzt die gepflegten Spielplätze für unsere Kinder machen seinen Reiz aus.
Wie kam es jedoch zur Anlage dieses schönen Parks?
Zu Beginn der 90er Jahre des 19. Jahrhunderts gründete der Besitzer des Rittergutes Hohenschönhausen Gerhard Puchmüller zusammen mit einem finanzstarken Partner namens Henry Suermondt eine Grunderwerbs- und Baugesellschaft. Suermondt, der seine Wurzeln in Aachen hatte, war „Bankier“, also im Bankgeschäft tätig. Nun begann ein emsiges Vermessen und Parzellieren des ungenutzten Gutslandes. Ein sehr gutes Geschäft für alle Beteiligten! Auch der Herr Justizrat Julius Grosse-Leege stieg mit ein. Eine erste Villenkolonie in der Nähe des Orankesees entstand. Und für die Kolonie wurden auch ein Wasserwerk mit Wasserturm, ein Elektrizitätswerk und ein Straßenbahndepot gebaut.
Die neuangelegten Straßen benannte man nach ehemaligen Landräten des Kreises Niederbarnim, denn zu dieser Zeit gehörten Guts- und Landgemeinde Hohenschönhausen in deren Zuständigkeit. Berliner waren die Leute hier noch nicht! Das kam erst später. In die Villen der Orankestraße, Waldowstraße, Scharnweberstraße, Gropiusstraße, Chamierstraße und Treskowstraße (heute Manetstraße) zogen bald darauf wohlhabende Berliner Beamte, Kaufleute, Fabrikbesitzer und auffällig viele Großschlächter, Fleischermeister und Darmhändler. Diese Häufung von Metzgermeistern hatte etwas mit dem nahegelegenen Schlachthof an der Eldenaer Straße zu tun, der 1883 eröffnet wurde. Die damaligen Adressbücher bezeugen, dass sich über 50 Personen dieses besonderen Berufszweiges hier in der neuen Hohenschönhausener Villenkolonie ein Grundstück leisten konnten.²
Die Villengegend entwickelte sich prächtig und die Einwohnerzahl des Gutsbezirkes verdoppelte sich bis 1910 auf etwa 3.500. Die wohlhabenden Bürger sorgten durch ihr hohes Steueraufkommen für ein rasches Aufblühen des Gutsbezirkes. Daneben gab es die stagnierende Landgemeinde, die sich beiderseits des alten Dorfkerns von Hohenschönhausen in der heutigen Hauptstraße erstreckte. Der Vernunft gehorchend fand im Jahre 1911 die Eingemeindung des bis dato selbstständigen Gutsbezirks in die Landgemeinde statt. Gefeiert wurde dieser Tag übrigens mit einem Festmenü im Wirtshaus am Orankesee.
Danach wurde der Wunsch nach einem kultivierten Erholungsbereich unter den Bewohnern der Gegend immer stärker. Am 22. November 1912 beschloss die Gemeindevertretung Hohenschönhausen einen Park am Obersee zu schaffen und bewilligte dafür 17.000 Mark aus der Gemeindeschatulle. Mit der Gestaltung wurde der Gartenarchitekt Otto Werner beauftragt.
Die Ausführung verzögerte sich, denn teilweise musste noch der Rückkauf von Privatland getätigt werden. Und dann zog Deutschland in den Ersten Weltkrieg. Während des Krieges ruhten die Arbeiten. 1920 war der Park endlich fertig. Jetzt gehörte Hohenschön-hausen zum neugegründeten Berliner Stadtbezirk Weißensee.
Die Parkgestaltung war sehr klar und orientierte sich an anderen Stadtparks dieser Zeit: es gab ein engmaschiges parallel laufendes Wegenetz, einen geschwungenen Uferweg und auf einer Erhöhung einen Pavillon. Seit 1920 oblag die Pflege des Oberseeparks dem Gartenamt Weißensee, welches von 1928-1945 durch Paul Henke geführt wurde.
Die Gemeinde Hohenschönhausen verlor 164 Männer im Ersten Weltkrieg. Zum Gedenken an die Gefallenen kam es 1921 an der Ecke Waldowstraße/Lindenweg zur Errichtung eines Denkmals aus grünem Granit, umgeben von einem bepflanzten Ehrenhain. Der Architekt war Otto Kuhlmann aus Charlottenburg.
Der besetzte Park
Von 1945 bis 1951 wurden der Oberseepark und seine umliegenden Gebäude einem sowjetischen Sperrbezirk einverleibt. In dieser Zeit blieb das Gebiet für die deutsche Bevölkerung verschlossen.
Für die russischen Offiziersfamilien, die jetzt in den besetzten Häusern der „Kapitalisten“ logierten, war die idyllische Parklandschaft ein Rückzugsort in der sie den durchlebten Krieg und das zerstörte Berliner Stadtbild vergessen konnten. Dem Nachlass des Hohenschönhausener Fotografenmeisters Rudolf Jünke verdanken wir einen einzigartigen Blick auf einzelne Besatzungsfamilien in diese Zeit. Insbesondere die Frauen der Offiziere, aber auch deren Dienstpersonal, meist junge Mädchen, beauftragten den Fotografen für ein „Shooting“ am idyllischen Obersee. Aber auch Familien, Vater, Mutter, Kind drapierten sich in der grünen Parkkulisse.³
Nach der Besatzung
Nach der Aufhebung des Sperrgebietes zu Beginn der fünfziger Jahre glich der ehemals gepflegte Park einem verwunschenen, zu gewucherten Biotop. Die alte Wegeführung war kaum noch zu erkennen, mitten darauf wuchsen Bäume. Trampelpfade waren entstanden. Im nördlichen Bereich des Obersees gab es noch immer einen Bombentrichter. Für das Weißenseer Gartenbauamt war es eine Herausforderung, wieder Ordnung in der verwilderten Parkanlage zu schaffen. Wie auch der Orankesee, wurde der Obersee leergepumpt, entschlammt und vom Unrat befreit.
Anfang der 1960er-Jahre erhielt der Oberseepark nach Plänen der Gartenarchitektin Editha Bendig und des Gartenbauingenieuren Oskar Köster ein neues Antlitz: Ein Spielplatz ersetzte den zerstörten Ehrenhain, Promenaden entstanden, diverse Abschnitte wurden frisch bepflanzt und der Rosengarten am Wasserturm angelegt. Beton verstärkte die vorhandene Uferbefestigung.
1973 diente der Park als Treffpunkt für die X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten. Im Zuge der Vorbereitungen wurde das bis dato noch immer im Park stehende Kriegerdenkmal abgetragen.
In den 1970er und 1980er Jahren kamen Skulpturen in den Park: „Die Hockende“ des Bildhauers Eberhard Bachmann und „Sommer“ von Siegfried Krepp. Der See selbst musste in den Folgejahren einige Male von Schlamm befreit werden. 1989 bekam er eine Belüftung.
Sanierung nach der Wende
Berit Müller schrieb in der Berliner Woche:
„Nach der Wende begann eine Sanierung des gesamten Parks, der heute rund fünf Hektar misst. 2013 verschwand die „Sommer“-Skulptur, die bis dahin den Zugang nahe der Gertrudstraße geziert hatte. Der Förderverein Obersee & Orankesee sorgte für Ersatz und enthüllte im April 2015 auf dem zuvor leeren Sockel eine neues Schmuckstück: die „Elegie“, geschaffen von der weißrussischen Künstlerin Evgenia Usimova. Seitdem blickt die übergroße Dame mit geneigtem Kopf und leicht melancholischen Ausdruck auf die malerische Seekulisse.
Vor zwei Jahren ließ das Lichtenberger Grünflächenamt eine neue Filteranlage für den Obersee installieren, die das Gewässer renaturieren und die Wasserqualität verbessern soll. Schwimmen empfiehlt sich in der aufgefüllten Senke trotzdem nicht, der benachbarte Orankesee mit seinem Freibad ist dafür deutlich besser geeignet. Naturfreunde kommen im Oberseepark aber bestimmt auf ihre Kosten. Der Verkehrslärm ist fern, Schwäne und Enten tummeln sich auf dem See, der sich komplett umrunden lässt. Eine Platanenallee säumt die Waldowstraße, im Park wachsen viele alte Roteichen, Ahornbäume und Hängeweiden. Besonderer Blickfang am westlichen Ufer ist eine bizarr geformte Weide, die ihre Zweige ins Wasser tunkt. Wenn es im Winter ein paar Tage frostig bleibt, dient der Obersee als Trainingsort für Schlittschuhläufer und Eishockey-Spieler.“⁴
² Hans-Michael-Schulze, In den Villen der Agenten, Die Stasi-Prominenz privat, Berlin 2003, S. 200, Anmerkung 25.
³ Russenbilder, Eine Bildergeschichte aus den Jahren 1945 bis 1948, entstanden aus Bildern von Soldaten und Offizieren der Roten Armee, mit einer bebilderten Vorgeschichte. Ein Ausstellungsentwurf von Hartmut Jünke, 2014 Kopie im Museum Lichtenberg im Stadthaus
⁴ Berit Müller, Ausflug in die Geschichte des Obersees und der Grünanlage drum herum, Berliner Woche, Ausgabe Lichtenberg, 8. Juli 2018