Leider nur in der Badesaison zugänglich, steht auf der Wiese im Strandbad eine Bronzeplastik. Ein Mädchen sitzt, etwas vornüber gebeugt, mit baumelnden Beinen, auf dem Startblock eines Schwimmbeckens. Seine Badekappe ist leicht nach hinten gerutscht. Vielleicht ruht sich das Mädchen vom Schwimmen aus. Sein Blick wirkt ernst, als sei es mit den Gedanken weit weg.
Geschaffen wurde der Akt 1960 von dem Bildhauer Ludwig Engelhardt. Und so sehenswert die „Sitzende Schwimmerin“ ist, so interessant ist es, von ihrem Schöpfer zu erzählen.
Es gibt in Berlin noch andere Arbeiten von ihm zu sehen, zum Beispiel in Baumschulenweg die Figur „Lesender Arbeiter“ oder die „Kugelstoßerin“ in Niederschöneweide. Doch Ludwig Engelhardts bekannteste Plastik ist das Marx-Engels-Denkmal in Berlin-Mitte. Welch ein Kontrast zwischen der Intimität der kleinen Mädchenfigur hier und den gewichtigen Bronzedarstellungen der Vordenker des Kommunismus!
Studiert hatte Engelhardt, geboren 1924, an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee, wo er im Anschluss arbeitete. Doch 1964 verließ er die Hochschule aus Protest. Ein Student war wegen einer politisch unliebsamen Wandzeitung exmatrikuliert worden. Engelhardt hatte sich vergeblich für ihn eingesetzt. Fortan arbeitete er freischaffend auf Usedom und in Berlin.
In den siebziger Jahren wurde Ludwig Engelhardt Professor und Sekretär der Sektion Bildende Kunst der Akademie der Künste der DDR. Dann kam der große Staatsauftrag, der sein weiteres Leben bestimmte. Und obwohl die Darstellung von Marx und Engels der Staatsführung nicht pathetisch genug war, wurde der Bildhauer dafür mit dem Nationalpreis 1. Klasse ausgezeichnet. Er selbst sagte dazu:
„Da hätte auch Käse stehen können, Marx und Engels hätten immer die 1. Klasse gekriegt!“
Von vielen Kollegen und Schülern wurde Engelhard geschätzt als aufrechter, lauterer, völlig unpathetischer Mensch. Er starb im Jahr 2001. Sein Grab befindet sich auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin.
Ludwig Engelhardt, Sitzende Schwimmerin, 1960
(von Angelika Reichmuth)
Leider nur in der Badesaison zugänglich, befindet sich auf der Liegewiese im Strandbad Orankesee ein kleiner sitzender Mädchenakt aus Bronze – die „Sitzende Schwimmerin“. Sie wurde 1960 von dem Bildhauer Ludwig Engelhardt geschaffen. Rundlich und anmutig, sitzt sie leicht vorgebeugt mit locker aufgestützten Armen und baumelnden Beinen auf einem angedeuteten Handtuch. Die Badekappe ist leicht nach hinten geschoben. Vielleicht ruht sich das Mädchen vom Schwimmen aus. Sein Blick ist ernst, es wirkt, als sei es mit den Gedanken weit weg.
Wer sich etwas mit Berliner Denkmälern auskennt, wird den Namen Ludwig Engelhardt vor allem mit dem Marx-Engels-Forum in Berlin-Mitte in Zusammenhang bringen. Ein stärkerer Kontrast als der zwischen der Intimität dieser kleinen Mädchenfigur und den ehrwürdigen Bronzedarstellungen der Vordenker des Kommunismus ist kaum vorstellbar.
1973 wurde Engelhardt zum Leiter der Arbeitsgruppe für das Marx-Engels-Denkmal ernannt. In der Rückschau erinnert er sich: “Die Aufgabe hat mich einfach geschluckt, hat meine ganze Aufmerksamkeit verbraucht. Es ist immer unausweichlicher geworden, dass sie an mir hängen bleibt. Die Aufgabe blieb an mir hängen und nicht ich an ihr. Damit wurde auch immer deutlicher, dass ich entweder aufhören oder eine Lösung finden muss, die ich selber auch akzeptieren kann. Das hat mich wirklich in eine vollkommene Ausnahmesituation gebracht.“¹
Diesem einst staatspolitisch wichtigen Auftrag ist es zu verdanken, dass der sitzende Karl Marx und der neben ihm stehende Friedrich Engels nun die bekanntesten Plastiken Engelhardts sind. Dabei sind in der Stadt noch andere Arbeiten von ihm zu sehen, zum Beispiel in der Hänselstrasse in Baumschulenweg die Figur „Lesender Arbeiter“ oder die große Bronzeplastik „Kugelstoßerin“ in der Hartriegelstrasse in Niederschöneweide.
Ludwig Engelhardt, Jahrgang 1924, wuchs in Saalfeld auf und wurde mit 18 Jahren zur Wehrmacht eingezogen. Gegen Ende des Krieges geriet er zunächst in amerikanische, dann in russische Gefangenschaft und kehrte erst 1948 zurück in die Heimat. Nach einer Lehre als Möbeltischler studierte er an der Kunsthochschule in Weißensee und war bis 1958 Meisterschüler bei Heinrich Drake. Er unterrichtete bis 1964 an der Kunsthochschule, verließ diese aber aus Protest, nachdem er sich vergeblich für den Studenten Uwe Alex eingesetzt hatte, der wegen eines politisch unliebsamen Wandzeitungsartikels exmatrikuliert worden war. Seitdem arbeitete Engelhardt freischaffend in Berlin und in Gummlin auf Usedom. In den siebziger Jahren wurde er Professor und Sekretär der Sektion Bildende Kunst der Akademie der Künste. Dann kam der große Staatsauftrag, der sein weiteres Leben bestimmte. Obwohl die Darstellung von Marx und Engels der Staatsführung nicht pathetisch genug war, wurde Engelhardt für das Werk mit dem Nationalpreis 1. Klasse ausgezeichnet.
Später sagte er: “Da hätte auch Käse stehen können, Marx und Engels hätten immer die 1. Klasse gekriegt.”²
Von vielen seiner Kollegen und Schüler wurde Ludwig Engelhard als aufrechter, lauterer, völlig unpathetischer Mensch geschätzt. Er starb 2001, sein Grab befindet sich auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin.
Von der “Sitzenden Schwimmerin” existieren zwei weitere Exemplare. Ein Abguss war 1960 neben Werken anderer namhafter Berliner Künstler für die Waldsiedlung Wandlitz, den ehemaligen Wohnsitz des SED-Pollitbüros, angekauft und dort aufgestellt worden. Nach der Wende kam es zu Vandalismus und Diebstählen. Die verbliebenen Werke wurden deshalb eingelagert und sind nun im “Kunstraum Innenstadt” in Bernau bei Berlin zu sehen. Ein weiterer Guss befindet sich in der Akademie der Künste.
² Tagesspiegel 1.2.2001