„Druck vom höchsten Berg!“ – hießen das Motto und die Lösung, als man vor mehr als einhundert Jahren daran ging, die damalige ‚Landhauskolonie am Orankesee’ mit einer modernen Wasserversorgung abzusichern.
Umsetzen ließ sich dies – herunter gebrochen auf das geografisch Machbare – mit der Errichtung eines Wasserturms auf dem Lindwerder Berg, also auf einer Höhe von gerade mal 61 Metern über dem Meeresspiegel. Es ist der höchste Punkt in der umliegenden Landschaft.
Um den Druck in den Leitungen stabil zu halten, benötigte man einen Turm, dessen Wasserrohre ein ständiges Gefälle zuließen. Und man benötigte eine Pumpstation, mit deren Hilfe man ununterbrochen das Grundwasser aus großer Tiefe in die Wasserbehälter im Turm pumpen konnte.
Als der Wasserturm seinen Betrieb aufnahm, gehörte er zum Modernsten, was es damals gab. Nach dem Prinzip des mit dem Bau n Wasserbauingenieurs Otto Intze wurden in Deutschland und anderen Ländern rund fünfhundert solcher Wassertürme errichtet. Der Turm besaß einen ausladenden Behälterkopf aus gewölbtem Stahl. Und der Stahlbehälter oben im Turm verfügte über ein Wasserreservoir für den Tagesverbrauch der Bewohner in den umliegenden Straßen.
Nur 20 Jahre nach seiner Errichtung war der Turm von der technologischen Entwicklung bereits überholt! Mit der Eingemeindung Hohenschönhausens in die 1920 geschaffene Gemeinde Groß-Berlin erfolgte die Wasserversorgung über die Wasserwerke in Lichtenberg. Der Wasserturm auf dem Lindwerder Berg – nun ein Denkmal der Industriegeschichte – wurde stillgelegt. Über Jahrzehnte gab es dann unterschiedliche Vorstellungen zur Nutzung: Der Turm war Lagerraum für Gartenmöbel, sollte ein nationalsozialistisches Jugendheim und dann wieder eine Sternwarte beherbergen. Es kam der Krieg. Und der Turm fungierte als Flakstellung und bekam eine Sirene, die die Bewohner vor Bombenangriffen warnte.
Nach dem Krieg gab es Pläne für einen Jugendclub. Dann wieder für eine Sternwarte mit Aussichtsplattform. Aber das blieben nur Ideen. Seit den 70er Jahren und bis zur Wende nutzen den Turm die Amateurfunker der Gesellschaft für Sport und Technik. Und dann stand er leer…
Es dauerte lange, bis sich jemand fand, den Turm ins Leben zurück zu holen. Seit dem Jahr 2004 ist im Turm eine Wohnung untergebracht. Und im Erdgeschoss gibt es eine Cocktail-Bar mit Terrasse und Blick über den See. So prägt der Turm weiter die Silhouette über dem See.
Der Wasserturm am Obersee
(von Bärbel Ruben)
Auf der höchsten Erhebung von Hohenschönhausen, dem Lindwerder Berg (61m ü. M.), steht ein Wasserturmveteran und geniest seinen „Unruhestand“. Er hat schon längst keinen Wasserbehälter mehr und regt wie ein Rapunzelturm unsere Fantasie an.¹
Aber warum steht er ausgerechnet an dieser idyllischen Stelle und was hat er wohl schon alles erlebt? Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Landhauskolonie am Orankesee entstand, haben sich die Herren, die das alte Hohenschönhausener Rittergut aufgekauft hatten, auch über eine Wasserversorgung für die künftigen Villenbesitzer Gedanken gemacht. Ein Wasserturm auf dem Lindwerder Berg bot sich als die ideale Lösung dafür an.
Wassertürme dienten als Verbindungsglieder und Druckausgleichsregulatoren zwischen den Wasserwerken bzw. Pumpstationen und den angeschlossenen Haushalten. Denn um den Wasserdruck in den Leitungen stabil zu halten, benötigte man einen Turm, dessen herabfallende Wasserrohre ein ständiges Gefälle garantierten.
Die Pumpstation befand sich im Wasserwerk in der Waldowstraße. Zusammen mit dem Wasserturm am Obersee nahm sie im Juli 1902 ihren Betrieb auf. Beide Bauwerke wurden durch die Firma „Merten und Knauf“ projektiert.
Der Turm besaß einen ausladenden, nach innen gewölbten Behälterkopf aus Stahl, was ihm eine große Stabilität verlieh. Der Wasserbehälter, der nach dem System von Otto Intze konstruiert wurde, hatte ein Fassungsvermögen von 400 m³ und bildete ein ständiges Wasserreservoir für den Tagesverbrauch der Bewohner in der Orankestraße, der Scharnweberstraße, der Treskowstraße (heute Manetstraße), der Chamierstraße und der Gropiusstraße.
Um ein Einfrieren des Steigrohres im Winter zu verhindern, wurde im Innern des Turmraumes ein eiserner Ofen aufgestellt. Der Wasserturm ist heute ein Denkmal der Industriegeschichte und sein Schöpfer, der Wasserbauingenieur Otto Intze war eine Berühmtheit. In ganz Deutschland und anderen europäischen Ländern stehen seine Bauwerke, zu denen neben etwa rund 500 weiteren Wassertürmen auch Talsperren und Brücken gehören.
Aber bald nach seiner Errichtung, war der Wasserturm schon vom technischen Fortschritt überholt. Moderne Wasserwerke, die mit elektrischen Pumpen angetrieben wurden, sorgten für einen gleichbleibenden Wasserdruck in den Leitungen und die Hochbehälter wurden somit überflüssig. Hohenschönhausen wurde seit seiner Eingemeindung in die 1920 geschaffene Gemeinde Groß-Berlin an die Wasserversorgung von Lichtenberg angeschlossen und der Wasserturm wurde daraufhin 1922 stillgelegt. Er hat also gerade einmal 20 Jahre seinen Dienst getan. Ein sehr junges Alter für einen Pensionär.
Die Weißenseer Parkverwaltung nutze den Turm danach als Lagerraum für ihre Gartengeräte. 1933 wurde das „Behälterkopfmonstrum“, wie der Wasserbehälter verächtlich in der Ortspresse genannt wurde, abgebaut und von der Weißenseer Eisenfirma „Erich am Ende“ verschrottet, da er angeblich die Parkidylle störte.
Für die weitere Nutzung des Turms gab es in den folgenden Jahren die unterschiedlichsten Vorschläge.
1937 sollte hier ein Jugendheim der Nazis errichtet werden. Auch an eine Sternwarte war gedacht. Daraus wurde zum Glück nichts. Bekannt ist, dass auf dem Turm während des Zweiten Weltkrieges eine Sirene die Hohenschönhausener vor nahenden Bombenangriffen warnte und sich hier auch eine Flakstellung der Wehrmacht befand. Als der 2. Weltkrieg zu Ende war, befand sich der Turm im sowjetischen Sperrbezirk. Nach dem Abzug der Russen in den fünfziger Jahren gab es wieder Pläne für einen Jugendclub, eine Sternwarte und eine Aussichtsplattform, aber dabei blieb es dann auch. Erst in den siebziger Jahren bis zur Wende wurde der Turm durch Amateurfunker der Gesellschaft für Sport und Technik der DDR genutzt, die hier auch einen Amateur-Radio-Club unterhielten.
Im Jahr 2004 fand der seit der Wende leerstehende denkmalgeschützte Turm einen neuen Eigentümer. Nach aufwändigen Umbauarbeiten ist im Turm eine Wohnung und im Erdgeschoss hinter wirklich dicken runden Mauern eine exklusive Cocktail-Bar mit 60 Plätzen eröffnet worden. Eine Sommerterrasse lädt in der warmen Jahreszeit zudem dazu ein, einen wunderbaren Blick über den Obersee zu genießen.
Da sehr häufig geschlossene Gesellschaften in der Bar stattfinden, hat sich die Betreiberin Kristin Krömer etwas Besonderes einfallen lassen: Damit sich an solchen Abenden keiner vergebens auf den Weg zum alten Wasserturm macht, strahlt bei geschlossenen Gesellschaften auf dem Dach des Turmes ein rotes Leuchtband. Bei grünem Ring ist die Bar geöffnet.²
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